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...liest gerade „Lichtungen“ von Iris Wolff

Endlich macht er sich auf.

In der Hand die Postkarte mit der vertrauten Handschrift:

Wann kommst du?

 

Maramureș, Rumänien. Hier wohnen Deutsche, Ungarn und Rumänen beisammen. Man ist miteinander verwandt und beäugt sich trotzdem wachsam.

 

An ebendiesem Ort lernen sich Kato und Lev kennen, eine Außenseiterin und ein Bettlägeriger. Aus der anfänglichen Abneigung entsteht mit den Jahren ein eisernes Band der Freundschaft, vielleicht auch der Liebe. Sie verbringen immer mehr Zeit zusammen und wachsen aneinander. Dabei könnten sie unterschiedlicher nicht sein: sie sehnt sich aus der Enge hinaus, er hängt an der Heimat. Doch sie müssen aufpassen, denn überall lauern die Spitzel des Ceaușescu Regimes. Als schließlich der eiserne Vorhang fällt, verlässt Kato das Land, um ihr Glück in der Ferne zu suchen. Lev bleibt allein zurück und verliert erneut eine Person, die er liebt.

 

Wie bereits in ihrem Roman „Die Unschärfe der Welt“ spielt die Geschichte hauptsächlich in Rumänien, einem Vielvölkerstaat, indem verschiedene Sprachen und Bräuche herrschen. In leisen Tönen zeichnet der Roman die Schwere des Alltags nach, das gegenseitige Misstrauen und die Härte der Diktatur, besonders zeichnet den Roman aber die Erzählstruktur aus. Entgegen dem Voranschreiten der Zeit erzählt Wolff die Geschichte rückwärts, beginnt in der Gegenwart und endet 30 Jahre zuvor. Auf diese Weise wird die Beziehung von Lev und Kato wie eine Zwiebel gehäutet, bis aufgedeckt wird, was die beiden antreibt und ängstigt, was sie entzweit und verbindet.

 

Doch nicht nur die Geschichte schreitet zurück, auch die Grenzen der Freiheit werden enger. Mit jedem Kapitel zieht sich die Schlinge der Diktatur fester um ihre Hälse zu. Aber sind sie zu Beginn wirklich frei?

 

„Man ist, einmal gegangen, immer ein Gehender.“

 

Wolffs Erzählstil ist leise und poetisch, spielt mit Details und Leerstellen. Ich liebe ihren Stil, dieses Mal allerdings konnte mich der Roman nicht so begeistern wie sein Vorgänger. Das lag vor allem an der etwas schleppenden Geschichte und dem Willen, jedem Absatz am Ende eine Pointe zu verleihen.

 

Dennoch großartige Literatur.

 

 

 

Iris Wolff: Lichtungen

Roman

Hardcover, 256 Seiten

Klett Cotta, 2024